Melodie & Rhythmus  8 / 1984

Walter Kutzner

 

Hinweg geblasen scheinen plötzlich all die unpraktischen Aversionen, die Rockmusiker und Diskomoderatoren gelegentlich wie wechselseitig zu hegen scheinen, wenn man einer Band wie Fißler / Werneburg / Hempel ( im folgenden nur noch: FWH ) begegnet.

Freilich, Holger Hempel war weder gestern noch heute nur ein enthusiasmierter Moderator, der mit sichtbarem Vergnügen die heißesten und neuesten Standards an das Diskopublikum brachte, er war es einst, der als Gründer der versunkenen Dresdner Elefant – Rockband gelten kann, und auch heute spielt er bei FWH nicht nur E-Gitarre, sondern versucht seine raue R&B – Stimme solistisch einzubringen, mit zunehmendem Erfolg übrigens. Was aber wiederum wäre all seine unbefangene musikalische Vitalität ohne die schöpferischen und interpretatorischen Potenzen solcher hochkarätiger Musiker wie Peter Werneburg ( keyb ) und Reinhard Fißler ( voc, acc-g ), die beide von Stern Meißen kamen, wobei letzterer natürlich entscheidend länger dort war, bzw. einen kaum zu überschätzenden Teil dessen ausmachte, was Stern überhaupt zu leisten vermochte.

Kurzum: FWH – ein hochinteressantes, hoch ökonomisches Rock – Trio mit immanenter Disko – Praxis, was übrigens im besten Sinne auch auf die Neukompositionen von FWH bezogen sei.

Im Juni hatte ich anlässlich der Einweihung eines neuen Jugendklubs in der Berliner Jungstrasse Gelegenheit, FWH endlich kennen zu lernen. FWH zeigte sich sofort als frisches, zweifelsfrei hochpotentes Rocktrio, was auch schon die Vorbereitung ihres Auftrittes durch einen Disko – Block Hempels andeutete.

Von Duran Durans „Reflex“, von Billy Idol und Berlucs „No Bomb“ bis hin zu Rick Springfields „Love Somebody“ wies Hempel vitalen, mitreißenden Rockgeschmack nach, und zu seinem Einspiel des „Südpol“ Originals von Stern Meißen, brachte FWH dann den „Südpol“ in ihrem Programm in neuer Fasson.

Ein hochbrisanter Vergleich nicht nur deshalb, weil das Stück, das hier praktisch nur im Duo Werneburg / Fißler ( indes mit permanenter, freundlicher Unterstützung durch den Kollegen Rhythmuscomputer ) vorgetragen wurde, dem alten voll standhielt, sondern meiner Ansicht sogar noch besser war: von glasheller Brillanz des Arrangement, füllig trotz aller Ökonomik die Interpretation wie deren Soundverhältnisse – schlechthin auf die Höhe der Zeit gebracht.

Beseelt und autonom zeigten sich ebenfalls noch vor allen FWH – Novitäten die Reminiszenzen, die Reinhard Fißler mit dem exzellent kristallinen Klang seines akustischen Gitarrenspiels Rockklassikern widmete. Das war Dylans „Don `t Think Twice It`s Allright“ und besonders Lennons „You`ve Got To Hide Your Love Away”. Fißler akzentuierte mit subtilstem Vermögen die ohnehin schon im Lennon – Original so einziartige fröhliche, rhythmisch – melodische Struktur dieses Songs, so, das die frohe Aufbruchstimmung jener Jahre geradezu leibhaftig präsent und aktuell war. Phantastisch.

Ebenso wenig als Aufguss zeigte ich das ELP – Stück „From The Beginning“, zu dessen weicher Introduktion Peter Werneburg sich überaus fähig zeigte. Werneburg hat als Keyboarder durch die Nebenbei – Betreuung des Rhythmuscomputers und weiterer elektronischer Kollegen den klanglichen Hauptanteil der FWH – Arbeit zu leisten – eine Aufgabe, die er nicht nur bei der Bearbeitung des Rockwell / Michael Jackson Stückes „ Somebodys Watching Me“, sondern auch bei all den neuen FWH – Kompositionen mit hoher rhythmischer und melodischer Präzision und offenkundig künstlerischer Souveränität wegträgt.

„Kind aus Orlando“ wurde bei „Rock für den Frieden `84“ mitgeschnitten und bereits bei Amiga veröffentlicht, „Heiße Musik“, eine Ode an den gleißenden Stimulus von Funk und Rap, und „Maskenball“ sind im Juni noch im Rundfunk produziert worden, was alsbald auch dem „Klassenclown“, „Mephisto“, der „Rodeo – Show“ und den weiteren FWH – Kompositionen widerfahren möge.

Nicht nur angesichts dieser modernen Kompositionen, sondern auch wegen der offensiv – engagierten, interessanten Texte Fißlers, wäre der Band nach anderthalb Jahren Existenz weiterhin Kraft und Erfolg zu wünschen.