Melodie & Rhythmus  5 / 2005

Musik als Lebenselixier

REINHARD FIßLER veröffentlicht sein zweites Soloalbum

Tina Torge

 

 

Etwa zwei Jahre ist es her, dass Reinhard Fißler erstmals erstmals im Rollstuhl auf die Konzertbühne kam. Der Sänger der legendären Stern Combo Meißen leidet an einer seltenen Form von Muskelschwäche - ALS (dabei ist der Informationsfluss zwischen Gehirn und Muskeln unterbrochen). Anfangs gehorchten ihm nur seine Hände nicht mehr. Inzwischen sind auch Arme und Beine betroffen. Eine Heilung ist bei dieser Krankheit nicht möglich.

Gezielte Physiotherapie und entsprechende Medikamente bringen allerdings Linderung und können den Prozess verlangsamen. Aber Reinhard Fissler lässt sich durch diese Diagnose nicht davon abbringen, weiter Musik zu machen. Obwohl sein Tagesablauf durch die Krankheit verlangsamt ist, nutzt er jede Minute, um an seinen musikalischen Projekten zu arbeiten. Hauptaugenmerk hatte er dabei in den vergangenen drei Jahren auf seine Konzerte gelegt.

Allein bei der Konzert-Tournee zum 40. Geburtstag der Stern Combo Meißen im letzten Jahr stand er immerhin 60-mal auf der Bühne. Auch eine Konzertreihe mit Dirk Zöllner, die die Musiker im Herbst 2003 auch nach Israel führte, fand Ende des Jahres seinen Abschluss.

Dazwischen gab es gemeinsame Auftritte mit Christiane Ufholz. Andere Projekte wurden dafür auf Eis gelegt, damit die Kräfte für diesen Konzert-Marathon reichen. Jetzt will er seine Energien etwas umverteilen und lange Liegengebliebenes aufarbeiten. In den vergangen  Monaten konnte er sich deshalb auch intensiv um die Fertigstellung seiner zweiten Solo-CD kümmern (immerhin seit vier Jahren in der Planung). Und nun ist es soweit, mit einer Release-Party am 20. April in der Berliner „Wabe" kommt die CD mit dem Titel „Was bleibt ..." auf den Markt (erhältlich auch unter www.secret-word.de) .

Eigene und gecoverte Titel mit deutschen und englischen Texten werden darauf zu hören sein. Reinhard setzte seine unverwechselbare Stimme dabei so ein, dass eine ganze Bandbreite von Stimmungen erzeugt wird. Einflüssen von Gospel, Reggae und Blues lässt er ihren Lauf und setzt sie gezielt als Collagen ein. Sehr viel Gefühl und Seele werden so offenbart und rieseln einem wie warmer Sommerregen den Rücken runter. Bei der Produktion haben ihm sehr viele Freunde geholfen. Sie haben zum Teil Kompositionen beigesteuert, Arrangements geschrieben, die Instrumente eingespielt, Chöre eingesungen und im Studio die Scheibe nach den Wünschen von Reinhard abgemischt.

Dabei ist es sicher nicht leicht, den Ansprüchen von Reinhard gerecht zu werden. Denn sein Gespür für Töne und sein Gehör ist, nach seinen eigenen Aussagen, seit Beginn der Krankheit viel schärfer geworden. Das ermöglicht ihm sogar, Gitarrenunterricht zu geben, ohne seine Hände zu benutzen. Er kann seinen Schülern ganz genau sagen, wie sie was zu spielen haben, damit es gut klingt. Eine Tatsache, die mich in wirkliches Erstaunen gebracht hat. Aber es funktioniert, weil Schüler und Lehrer eine Antenne entwickelt haben, auf der sie jeweils die Signale des anderen empfangen können. Diese erhöhte Sensibilität für andere Menschen macht sich auch im Umgang mit seinen Freunden bemerkbar. Vieles was er früher für selbstverständlich hielt, betrachtet er nun, wie er selbst sagt, mit Respekt. In der nächstenheil wird Reinhard nun mit seinem Solo-Projekt durchs Land reisen und im kleineren Rahmen Konzerte geben. Auch bei Stern Meißen sind in diesem Jahr wieder Kon­zerte geplant. Und es existieren bereits Pläne für eine weitere Solo-CD. Diese könnte dann in Richtung Live-Album gehen. Material dafür schlummere bereits in den Schubladen. Die Kraft dafür zieht er aus einem wundervollen Elixier - der Musik. Also letztlich aus sich selbst.